Rekonstruktion - geht das?

Von Bauingenieur Dominik Mangelmann

Das Prinzip Rekonstruktion ist keine Modeidee unserer Tage. Seit fast 900 Jahren rekonstruieren Bauherren und Architekten, weil sie an den Geist vergangener Bauformen erinnern wollen, weil identitätsstiftende Sakral- oder Profanbauten zerstört wurden und man den Verlust als schmerzlich empfand. Oder weil die vorangegangene Architektursprache schlichtweg gefiel.

Vergl. Winfried Nerdinger, Direktor des Architekturmuseum der Technischen Universität München

Bundesweit erfährt die Rekonstruktion in unseren Tagen eine Renaissance. In Dresden, Potsdam, Berlin, Nürnberg, Hamburg und in vielen weiteren großen und kleinen Städten wünschen sich die Bürger ein Stück wertvoller Gebäude zurück. Immer mehr Immobilienexperten, Historiker, Wissenschaftler, Stadtplaner und Architekten unterstützen diese Vorhaben mittlerweile. In der Baubranche entsteht ein neuer Markt. Auch in vielen Ländern Mittelosteuropas werden Gebäude und  ganze Quartiere nach historischem Vorbild wieder aufgebaut.

Hatten die Altstadtgebäude zu niedrige Decken und zu schmale Räume?

Wenn man von Fachwerkgebäuden spricht, hört man oft von sehr beengten Räumen und sehr niedrigen Decken, in denen ein Mensch des 21. Jahrhundert oftmals gar nicht aufrecht stehen konnte.

Dies trifft für viele dörfliche Gebäude der Umgebung Frankfurts zu, nicht aber auf die großbürgerliche Dom- Römer-Bebauung.

Die Dimensionen waren selbst für heutige Verhältnisse luxuriös. So besaßen die Gebäude Deckenhöhen, die sich meist zwischen 2,70 m und teilweise auch über 4 m bewegten. Niedrigere Decken waren nur in den obersten Geschossen (im Dach) zu finden, doch selbst diese Höhen sind für heutige Ansprüche immer noch ausreichend.

Die Frage der Ausstattung und des Komforts stellt sich eigentlich nicht, da die inzwischen sogar wieder als innovativ und klimatechnisch sinnvolle Bauweise aus Holz und Lehmziegeln auch nach heutigen Maßstäben zu keinem Komfortverlust führt. Es wird sogar überraschen, welch angenehmes Klima in diesen sich von Wärme und Feuchtigkeit nahezu selbst regulierenden Räumen herrscht.

Ist eine rekonstruierte Bebauung heute überhaupt noch bewohnbar?

Vielfach wird behauptet, die Gebäudegrundrisse der Altstadtgebäude wären für heutige Nutzungen nicht geeignet.
Auch dies trifft nicht zu. Die Grundrisse der Altstadthäuser waren sehr unterschiedlich groß. Somit ergeben sich für Investoren und Nutzer unterschiedliche Möglichkeiten, angefangen von kleinen Geschosswohnungen bis zur Gesamtnutzung eines Hauses.

Mehrere Häuser können innen verbunden werden. Der Niveauunterschied der Geschosse kann durch Stufen ausgegleichen werden. Vor allem aber ergeben sich für Einzelhandel und Gastronomie hervorragende Perspektiven, da die Altstadt gerade auch für für den Tourismusmarkt zentraler Anziehungspunkt sein wird.

Enge Gassen? Kein Licht?

Die Breite der Straßen war im Bereich zwischen Dom und Römer fast überall so weiträumig, dass selbst heutige Großfahrzeuge (Feuerwehr, Müllentsorgung) zu allen Punkten Zufahrt haben.

Aufgrund der historischen Bedeutung als Messestandort war der nun diskutierte Bereich auch entsprechend breit angelegt. Sie werden viele moderne Bereiche in Frankfurt antreffen, deren Platz- und Lichtverhältnisse weit schlechter ausgestattet sind.

Übrigens: Nach dem „modernen“ Siegerentwurf des städtebaulichen Dom-Römer-Wettbewerbs würden die Straßenbreiten sogar noch enger bebaut werden, als in der historischen Variante.

Wie verträgt sich Fachwerk mit Brandschutz?

Die Häuser der Frankfurter Altstadt waren schon historisch fast alle durch steinerne Brandwände voneinander getrennt.

Im Allgemeinen ist es so, dass Holz bis zu einem gewissen Grad äußerlich verbrennt (ca. 1 mm pro Minute), jedoch diese verbrannten Außenseiten dann selbst eine brandhemmende Schicht darstellt und der Holzbalken dann innen vollkommen intakt seine tragenden Eigenschaften für eine mehr als ausreichende Zeit beibehält. Stahlträger beispielsweise verlieren bereits bei ca. 500 C die Hälfte ihrer Tragfähigkeit.

Nach heutigen Anforderungen ist es überhaupt kein Problem, ein Fachwerkgebäude mit modernstem Brandschutz auszustatten. Befragen Sie mal einen Feuerwehrmann zum Thema Holzgebäude!

Stellungnahme zum Thema Brandschutz bei rekonstruierten Gebäuden von Hoppe Architekten

Ist das bezahlbar?

Holz ist ein sehr günstiger Baustoff, nachwachsend und besitzt damit einen Energiebedarf, der gegenüber „modernen“ Baustoffen verschwindend gering ist. Der Stahlpreis hingegen hat sich in jüngster Vergangenheit mehr als verdoppelt. Glasbau ist generell weit teurer als andere Bauarten.

Der Fachwerkbau kostet nach heutigen Möglichkeiten nur wenig mehr, als jede andere übliche Bauweise auch.
Der Grund hierfür liegt im Einsatz moderner Maschinen (Rechnergestützte Planung, Einsatz von Kränen bis hin zur Fertigbauweise). Jedoch bleibt das Ergebnis ein echter Fachwerkbau mit Holzbalken und historischen Zimmermannsverbindungen.

Schon durch die Bauweise mit überragenden Geschossen und maximaler Raumausnutzung ist selbst die Frage der langfristigen Wirtschaftlichkeit zu gunsten einer Rekonstruktion zu bewerten.